Ludgerikirche

Für die Ludgerikirche wurde der erste Bischof von Münster zum Patron erwählt. Liudger, um 742 in Friesland geboren und 809 in Billerbeck bei Münster gestorben, wurde von Karl dem Großen mit der Missionierung der Sachsen beauftragt. Die Gründung einer Missionsstation durch Liudger in der Nähe des Paulusdoms war gleichzeitig die Keimzelle der Stadt Münster. 805 wurde Liudger zum Bischof von Münster ernannt.

ludgerikirche-grundriss 1. Fenster im Chor, in den beiden Querhäusern und der Westfassade (Vinzenz Pieper, 1961)
2. Flügelaltar im Chor  (15. Jh.)
3. Zelebrationsaltar mit der Reliquie des hl. Ludgerus in der Vierung
4. Holzfigur des „Christus Salvator“ (um 1420) an dem nördlichen Vierungspfeiler
5. Skulptur des Ludgerus (um1780) an dem südlichen Vierungspfeiler
6. Spätgotische Madonna mit Kind (um 1450) in der Rundbogennische des südlichen Querschiffes
7. Tafelgemälde der „Auferstehung des Lazarus“ (Nikolaus tom Ring) an der südlichen Wand
8. Tafelgemälde der „Grablegung Christi“ (Nikolaus tom Ring) an der nördlichen Wand
9. Bildnis von Nils Stensen und Edith Stein (Gerhard van der Grinten) an der Nordwand
10. Kreuz mit Korpus ohne Arme an der Südwand im westlichen Teil der Kirche
11. Taufbecken (Spätgotik) im Westwerk in der Zentralachse der Kirche
12. Pieta (Barock) an der Nordwand
13. Orgel (barocker Prospekt) im nördlichen Querschiff
14. Figur des Schmerzensmannes (Gotik) in der Herz-Jesu-Kapelle

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Baugeschichte

um 1180: Bau einer steinernen Kapitelkirche an der Stelle einer Holzkirche
um 1220: Errichtung des mächtigen Vierungsturms
1335: Bau des Kapitelhauses, der heutigen Herz-Jesu-Kapelle
1383: Erhebliche Schäden und die Zerstörung der romanischen Westtürme durch einen Stadtbrand
15. Jh.: Bau des gotischen Chorraumes
19. Jh.: Neuerrichtung der Westtürme und Abschluss des Vierungsturmes durch eine neogotische Turmkrone
1944: Erhebliche Schäden bei einem Bombenangriff

An dem Ort der heutigen Kirche hat sich bereits sehr früh eine Vorgängerkirche aus Holz befunden. Um 1180 entstand an der Stelle der Holzkirche eine steinerne Kapitelkirche im Stil einer romanischen Hallenkirche, deren Mittelschiff und Seitenschiffe heute noch erhalten sind.

Bei dem großen Stadtbrand in Münster im Jahre 1383 wurde St. Ludgeri zu großen Teilen zerstört, so auch die romanischen Westtürme. Diese wurden erst 1874/75 wieder neu errichtet. Um 1335 wurde zwischen Querhaus und Chor das Kapitelhaus angebaut. Der gotische Chorraum wurde im frühen 15.Jh. im Osten dem romanischen Bau angegliedert. Am 12. und 30. September 1944 wurde die Kirche nahezu völlig zerstört und in den Fünfzigerjahren in Ihrer alten Schönheit wieder aufgebaut.

Außenansicht

ludgerikirche-aussenDie Westfassade mit dem Portal und den Fenstern hat ihre Gestaltung bei dem Umbau der Kirche im 19. Jh. und im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten, in dem St. Ludgeri erheblich zerstört wurde. Die Wiedererrichtung der Türme in den Jahren 1874/75 hat sich eng an das Vorbild der ursprünglichen romanischen Türme gehalten.

Unverkennbar für St. Ludgeri ist der um 1220 errichtete wuchtig anmutende Vierungsturm. Deutlich heben sich die beiden unteren Geschosse mit ihrer Bruchsteinwandung und ihren Rundbogenarkaden von dem dritten Geschoss ab, dessen glatte Steinquader durchbrochen sind von maßwerkverzierten Spitzbogenfenstern aus dem 15. Jh.. Die Turmkrone sowie Figuren und Wasserspeier, welche das dritte Geschoss zieren, entstammen dem 19. Jh., entsprechen aber weitgehend dem gotischen Original.

Ein besonderer Reiz ergibt sich aus dem Kontrast zwischen dem dunklen Stein der Krone und dem gelben Baumberger Sandstein des Turms. Der Giebel der Fassade des südlichen Querschiffs mit seinen vier Rundbogennischen ist durch ein Palmettenband von der übrigen Bruchsteinfassade mit ihrem großen fünfgliedrigen Rundbogenfenster getrennt. Die nördliche Querhausfassade, die ein vergleichbares Aussehen hatte, wurde im 19. Jh. mehrfach verändert. Der spätgotische Chorraum schließt sich direkt an den Vierungsturm an und überragt in seiner Dachhöhe erheblich die Höhe des romanischen Baus. Die schlanken dreibahnigen Maßwerkfenster mit einem Fischblasen-Couronnement verweisen auf den Bau des Chorraumes im frühen 15. Jh..

Zwischen dem südlichen Querhaus und dem gotischen Chor entstand 1335 das Kapitelhaus, die heutige Herz-Jesu-Kapelle. Der Vorbau mit dem Fenster nach Osten deutet darauf hin, dass sich hier eine Altarnische befunden hat. Ein Kapitel aus Propst und zwölf Kapitularen hat schon um 1184 bestanden.

Innenansicht

Innenraum mit Blick auf den Flügelaltar im Hochchor

Innenraum mit Blick auf den Flügelaltar im Hochchor

Dem Betrachter fällt sofort der Kontrast zwischen der massiven Bauweise des romanischen Kirchenschiffs und dem durch einen Arkadenbogen von der Vierung getrennten gotischen Chorraum auf. Das Mittelschiff wird bestimmt durch ein Halbjoch im Westen und zwei über einer quadratischen Grundfläche geführte Joche, die auf den mächtigen Kreuzpfeilern ruhen. Da die Seitenschiffe schmaler sind, wirken die Joche darin länger gezogen.

Die quadratische Vierung, über welcher sich der Turm erhebt, ist von einer flachen Kuppel überwölbt, die durch Wulstrippen gegliedert ist. Beleuchtet wird das Langhaus durch die Fenster im Mauerwerk der Seitenschiffe, die geringfügig niedriger sind als das Hauptschiff, wobei aber die Geringfügigkeit des Unterschieds für das Hauptschiff keine Fenster mehr zulässt. So muss man St. Ludgeri in der Form der Stufenhalle als eine Vorläuferin der westfälischen Hallenkirche ansehen. Die Ostwände des südlichen und nördlichen Querhauses lassen noch die romanische Gliederung erkennen.

Die Rundbogennischen verweisen auf die alten Apsiden der beiden Querhäuser. Vor dem Bau des gotischen Chores dürften sie die romanische Apsis des Mittelschiffs flankiert haben. Die Eingänge auf der Süd-und Nordseite der Querhäuser wurden schon um 1730 zugemauert, sind aber von außen noch erkennbar. Die Maßwerkfenster der Querhäuser, die nach dem Zweiten Weltkrieg restauriert wurden, sind erheblich größer als die ursprünglichen Fenster.

Spätgotische Madonna in der Rundbogennische des südlichen Querschiffes

Spätgotische Madonna in der Rundbogennische des südlichen Querschiffes

Der gotische Chorraum bietet sich zweigeteilt dar. Ein Vorraum, der nur im oberen Teil mit Fenstern versehen ist, bildet mit seinem gedämpften Licht einen Übergang von der Vierung zur Apsis mit ihren dreigliedrigen Lanzettenfenstern. Im Chorraum finden sich acht lebensgroße Sandsteinfiguren aus dem Beginn des 17. Jh.. Auf der Nordseite des Chores folgen auf die Figur des Christus Salvator Ludgerus, Stephanus und Katharina von Alexandrien. An der südlichen Wand des Chores finden sich die Figuren der hl. Anna, des hl. Laurentius, Karls des Großen und der Gottesmutter Maria.

Sehenswert sind die unterschiedlich gestalteten Kapitelle. Neben pflanzlichen Zierformen finden sich figürliche Darstellungen im Bereich der Vierung und des Mittelschiffs. So kann man einen Adler erkennen, der mit dem Schnabel in den Wulstring hackt, oder einen Mann, in dessen Bart sich zwei Drachen verbissen haben.

Ausstattung

Taufbecken im Westwerk in der Zentralachse

Taufbecken im Westwerk in der Zentralachse

Das einzigartige Licht im Kirchenraum ergibt sich aus der hellen Farbigkeit der modernen, von Vinzenz Pieper 1961 geschaffenen Glasfenster. Das Mittelfenster des Chores zeigt den heilsgeschichtlichen Weg Jesu von der Geburt bis zu seiner Wiederkunft in Herrlichkeit.  Die Fenster links und rechts des Mittelfensters berichten über Zeugen des Heilsgeschehens im alten und neuen Bund. Während das Fenster im nördlichen Querhaus von dem Pfingstwunder erzählt, kündet das Fenster im südlichen Querhaus von der Erschaffung der Welt, deren Vollendung im Jüngsten Gericht im Fenster der Westfassade dargestellt ist.

Die Altarwand im Chorraum, in welche der Tabernakel eingelassen ist, findet ihre Krönung in dem Flügelaltar aus dem 15. Jh.. Die Darstellung der Anbetung durch die Heiligen Drei Könige im Mittelfeld wird gerahmt im linken Flügel durch die Heiligen Margareta und Laurentius und im rechten Flügel durch die hl. Katharina von Alexandrien und den Evangelisten Johannes. Das Chorgestühl, das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde und dessen reich mit Schnitzereien verzierte Chorstuhlwangen aus der Zeit nach der Herrschaft der Wiedertäufer gerettet wurden, ist nach seiner Rekonstruktion im Chor wieder aufgestellt. Der Zelebrationsaltar in der Vierung enthält in seiner Vorderwand einen Schrein mit einer Reliquie des hl. Ludgerus.

Besonders ins Auge fallen die Vierungspfeiler durch ihren Figurenschmuck. Am Nordpfeiler befindet sich eine Holzfigur des Christus Salvator, die um 1420 entstanden ist. Eine Skulptur des Ludgerus aus der Zeit um 1780 mit einem Modell der Kirche findet sich am Südpfeiler. In der Rundbogennische des südlichen Querschiffs lädt eine Figur einer spätgotischen Madonna mit Kind, um 1450 entstanden, zur Marienverehrung ein. Das Kleid Mariens lässt noch die ursprüngliche Bemalung der Skulptur erkennen.

Zwei Tafelgemälde, die dem Maler Nikolaus tom Ring aus der münsterschen Malerfamilie des 16. Jh. zugeschrieben werden, gehören zur Ausstattung der Kirche. Das Gemälde an der südlichen Wand zeigt die Auferweckung des Lazarus, das an der nördlichen Wand die Grablegung Christi. In den Blickfang des Betrachters rückt der Maler die Stifterinnen, die sich in ihrer zeitgenössischen Kleidung und der betenden Haltung deutlich aus der dargestellten Szene herausheben. Ein weiteres Bild an der Nordwand zeigt Nils Stensen (1638-1686) und Edith Stein (1891-1942). Das von Gerhard van der Grinten 1990 gemalte Bild zeigt beide als „sacra converzazione“. Nils Stensen mit einem aufgeschlagenen Buch in den Händen, welches die anatomische Abbildung eines Herzens zeigt, weist ihn neben seiner Bedeutung als Stiftsdechant von St. Ludgeri und Weihbischof auch als in seiner Zeit anerkannten Naturwissenschaftler aus.

Bildnis von Nils Stensen und Edith Stein

Bildnis von Nils Stensen und Edith Stein

Die Philosophin Edith Stein, die in St. Ludgeri ihre Berufung in den Karmel erhielt, deutet durch den Davidstern auf ihrer Nonnentracht auf ihre Ermordung als zum Katholizismus konvertierte Jüdin 1942 in den Gaskammern von Auschwitz hin. Nach ihrer Heiligsprechung wurde sie zur Patronin Europas ernannt. Die beiden Medallions von Rudolf Breilmann, einem Bildhauer aus Münster, neben dem Kreuz an der Südwand des Westturms zeigen, welche Verehrung der selige Nils Stensen und die heilige Edith Stein in der Ludgerikirche genießen.

Das Kreuz, dessen Corpus bei dem Bombenangriff von 1944 beide Arme verloren hat, dient mit der Aufschrift „Ich habe keine anderen Hände als die euren“ auf dem Querbalken des erneuerten Holzkreuzes als Mahnmal. Zu den ältesten Kunstwerken der Kirche zählt das im Westwerk aufgestellte Taufbecken der Spätgotik nach 1500. Acht Reliefs, die in der Wiedertäuferzeit stark beschädigt wurden, zeigen Szenen aus der Heilsgeschichte, unter denen sich auch eine Bilddarstellung des Ludgerus findet.

Neben einer Pietà an der Nordwand stammt auch die im nördlichen Querschiff aufgestellte Orgel mit 24 Registern und einem reich verzierten Prospekt aus der Barockzeit. Der Prospekt der Orgel dürfte um 1750 gebaut sein und befand sich ursprünglich in der Marienkirche in Warendorf. Abgesehen von zwei historischen Registern wurden der Spieltisch, die übrigen 22 Register und die mechanische Ausstattung 1965 von der Orgelbaufirma Kreienbrink neu gebaut. Sehenswert ist die Figur des Schmerzensmanns in der Herz-Jesu-Kapelle, dem ehemaligen Kapitelhaus. Die gotische Holzfigur aus dem süddeutschen Raum beeindruckt durch die gut erhaltene Farbgebung und die Emotionalität des Ausdrucks.